Aus der Ferne betrachtet scheint die Fassade der Westfälischen Hochschule in Recklinghausen von horizontal verlaufenden Zeichen übersäht, die sich bei Annäherung an das Hauptgebäude zu Vornamen entwickeln. Die Bildhauerin Ayse Erkmen, gestaltete 1999 die Installation „Namenstafel“, für die neugegründete Hochschule. Das weiße Kubusgebäude wird an der Hauptseite, durch die auffällig gestaltete Fensterfront dominiert. 18 gläserne Felder sind mit schwarzen Rahmen voneinander getrennt und gliedern die Fassade in ein regelmäßiges Bild. Das Glas der Fenster ist sandgestrahlt und bildet den weißen Grund für die schwarzen Wörter. Optisch lässt sich ein Vergleich zu bedruckten Buchseiten ziehen, doch sind die Lettern ausgespart und durchlässig für Licht. Die Vornamen auf den Fenstern weisen auf die Studierenden des ersten Jahrgangs der Hochschule hin. Die Installation lässt durch die Wahl des Titels einen Vergleich mit bekannten Gedenktafeln zu.

Bezeichnend für die Arbeit von Ayse Erkmen ist die besondere Auseinandersetzung mit den Orten ihrer Installationen. Das Werk scheint sich natürlich in ein Geflecht aus Raum und seinen Benutzern, sowie dem Kunstwerk und den Wahrnehmenden einzufügen. Die Vornamen wirken als persönliche Ansprache, durch fehlende Nachnamen bleibt sie jedoch unkonkret. Die Namenstafeln wirken einerseits als zeitlicher Rückblick auf die ehemaligen Studierenden. Andererseits fühlen sich auch gegenwärtige und zukünftige Träger der Vornamen angesprochen, was das Werk in der individuellen Wahrnehmung aktualisiert. Wortwörtlich sind die Namen und ihre Geschichten nicht „in Stein gemeißelt“. Vielmehr sind sie transparent für ständig wechselnde Menschen an der Hochschule und damit für neue Bedeutungen und neue Geschichten. Das wird erlebbar, wenn Sonnenlicht durch die Fassade fällt und die Vornamen auf das Dahinter projiziert.

 Biografische Daten Ayse Erkmen

Ayse Erkmen wurde 1949 in Istanbul geboren und studierte an der ansässigen Kunstakademie im Fach Skulptur. Sie arbeitet im Bereich Skulptur und Installation, die häufig den Charakter einer Intervention haben. 1994 machte sie durch ein Projekt in Berlin, Kreuzberg auf sich aufmerksam. Der öffentliche Raum spielt für die Künstlerin eine besondere Rolle, der in Istanbul der einzig zur Verfügung stehende Platz für ihre Arbeit war. Zugleich schätzt sie den öffentlichen Raum, in seiner Unbeständigkeit und Veränderbarkeit, der Fülle an Geschichten, Bedeutungen und Meinungen. Diese Unbeständigkeit ist auch in ihren Installationen zu finden, die oft nur temporär an einem Ort sind. 

Fotografie: Andreas Ren
Text: Noa Rötzel
Quelle/Recherche: Public Art RuhrWebsite der Künstlerinart-in.de
Ort: Recklinghausen, Westfälische Hochschule, August-Schmidt-Ring 
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