In der malerischen Vereinigung von Rhein und Ruhr, genauer gesagt am Rheinkilometer 780, erhebt sich ein beeindruckendes Kunstwerk, das diese Hochzeit der beiden Flüsse zelebriert.

Eine breite, orangefarbene Metallstele schwebt majestätisch über dem Wasser und ist weithin sichtbar, solange der Wasserstand normal ist. Bei Hochwasser scheint sie jedoch in den Fluten zu versinken. Sie ist fest am Ufer verankert und von sparsamer Vegetation umgeben.

Für die Bewohner der Umgebung ist sie ein vertrauter Anblick, Teil ihres alltäglichen Zusammenseins mit den Flüssen. Für Besucher der Uferpromenade hingegen stellt sie eine angenehme Überraschung dar, und für Kapitäne der zahlreichen vorbeiziehenden Schiffe ist sie längst zu einer Landmarke geworden, die schon von Weitem die örtlichen Koordinaten eindrucksvoll vermittelt. Mit ihrer Ähnlichkeit zu einem Leuchtturm und ihrer industriellen Materialität erinnert sie auch an das Ruhrgebiet. In der Landschaft steht sie wie ein ruhendes Fanal und symbolisiert den mühsamen Prozess des Wandels, den diese Region durchläuft.

Der Bildhauer Lutz Fritsch, der in Köln lebt, ist bekannt für seine farbigen Skulpturen im Innen- und Außenraum. Sein Fokus liegt dabei auf dem Erleben des Raums. Durch die Oberflächenbehandlung seiner Skulpturen erscheinen sie fast immateriell und verändern und definieren die Räume auf neue Weise. Fritsch ist ein reflektierender Künstler, der seine Worte und Gedanken in einfachste und reduzierte Formen bringt.

Rheinorange

ist eine solche unmittelbare Setzung. Sie besitzt keinen narrativen Charakter und steht zunächst für sich allein. Doch sie hat einen starken Einfluss auf ihre Umgebung ausgeübt und diese verändert. Sie hat neue Blickwinkel und Perspektiven geschaffen. Fritsch agiert als heimlicher Agitator. Er mischt die Wahrnehmung subtil auf, ohne dabei alles zu verraten. Er lenkt den Blick, ohne ihn zu blockieren, und schafft eine Vielfalt, die er selbst in einer gestischen Reduktion gegenüber anderen Kunstwerken und der direkten Umgebung präsentiert.

Die Skulptur strahlt trotz ihrer simplen Form mit ihrer monochromen Oberfläche und Farbigkeit eine gewisse Eleganz aus. Gleichzeitig teilt sie die Nüchternheit und Sachlichkeit mit den Zahlen des Rheinkilometerschildes. Visuelle Daten finden harmonisch zusammen, auf eine Weise, die man nicht erwartet hätte. Man kann die Form von Rheinorange mit Richard Serras Bramme auf der Halde Schurenbach in Essen vergleichen, die 1998, sechs Jahre nach Rheinorange, errichtet wurde. Obwohl sie eine ähnliche Form aufweisen, steht Fritschs Skulptur für den Begriff der Kunst, des Erdachten und Geistigen.

Der Künstlerverrät nichts über den konkreten Herstellungsprozess der Skulptur, sondern nur über den gedanklichen Prozess, der zu ihrer Entstehung geführt hat. Serras Skulptur ist ebenfalls monochrom, jedoch nicht farbig. Sie zeigt den Entstehungsprozess und gibt Einblicke in die Geschichte des Ruhrgebiets. Sie verdeutlicht die Möglichkeiten der industriellen Fertigung und wirkt wie ein Repräsentant dieser Zeit. Rheinorange hingegen versteht sich als einzigartiger Hauptdarsteller. Beide Kunstwerke erfüllen die Funktion von Landmarken. Während Serras Skulptur den Haldengipfel einnimmt, erhebt sich Rheinorange aus der flachen Landschaft in die Höhe. Der Drang nach Größe und Höhe ist beiden Werken eigen. Doch während Serras Figur dominant und monumental wirkt, strahlt Rheinorange eine zurückhaltende geistige Kraft aus.

Es gibt kaum größere Unterschiede in der Kunstanschauung zweier moderner Bildhauer: Serra als kraftvoller und impulsiver Künstler, Fritsch als ruhender und vergeistigter Künstler, der nicht nach Schwere und Gewicht sucht, sondern nach Leichtigkeit und innerer Eleganz. Lutz Fritschs Skulptur Rheinorange ist ein Schlüsselwerk. Sie markiert den Beginn weiterer farbiger Landmarken des Künstlers und lädt dazu ein, die städtischen Räume auf neue Weise zu betrachten. Sie ist der Ausgangspunkt für die vielen runden Stelen, die später umgesetzt wurden.

Standort:

Fotografie: Andreas Ren
Text: AloIs Tiehr
Quelle/Recherche: Public Art Ruhr, Ruhrkunstmuseen
 Ort: Rheinkilometer 780
GPS Daten: